Top in Schuß, so vonne Unnerarme her: das Podium 

 

„So, das war’s, ihr Luschen. Jetzt mal hoch die Ärsche!“ Irgend etwas in der Richtung werden sich wohl die zwirbelbärtigen Typen des Deutschen Reichsausschusses für Leibesübungen gedacht haben, als sie im November 1912 nach schwedischem Vorbild die Grundlagen für das Deutsche Sportabzeichen schufen. Damals, zu Kaisers Zeiten, konnten nur männliche Kameraden, ab 1921 dann auch Frauen den Nachweis erbringen, sich einigermaßen ertrinkungssicher über Wasser halten zu können sowie ein gerüttelt Maß an Sprungkraft, Schnelligkeit, Schnellkraft und Ausdauer zu besitzen. Obwohl in den Details mehrfach geändert, keuchten und quälten sich seitdem Heerscharen von deutschen Bürgern jeglicher Alters- und Bildungsgruppe durch das großzügige Angebot an verschiedenen Disziplinen aus der Leichtathletik, dem Turnen, dem Schwimmsport und dem Radfahren, um später dann von offiziellen Benannten eine Urkunde in die verschwitzten Hände gedrückt und vielleicht sogar diesen kleinen unscheinbaren Anstecker in Gold, Silber oder Bronze an die Brust gepiekst zu bekommen.

Die Lübecker 12-Kämpfer haben sich bei dem ersten Event Ihrer 8. Saison nun auch vorgenommen, sich einmal mit den derzeit gültigen Regeln zum Deutschen Sportabzeichen (DSA) messen zu lassen und damit dann auch zu erkennen, wie man denn in dem Sportlichkeitsranking des gesamten deutschen Volkes so dasteht.

Gemäß der DSA-Regularien sind aus den vier Gruppen Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit, Koordination jeweils eine Disziplin auszuwählen aus einem Reigen verschiedener Vorschläge. Unter Berücksichtigung des Alters sind dann bestimmte Höhen, Zeiten oder Weiten zu erreichen. Darunter sind Klassiker wie Weitsprung und Sprint zu finden, die man als Wald- und Wiesensportler auf jedem Sportplatz abhandeln kann, aber auch nach heutigen Maßstäben eher exotisch anmutende Varianten wie Reckturnen oder Steinstoßen.

Um eine logistische Übersichtlichkeit zu erhalten und vor allem um eine Vergleichbarkeit zu gewährleisten, haben die Organisatoren Elkimo und Steini vorselektiert und zunächst die Disziplinen 25 Meter Schwimmen, Medizinballwurf, Schleuderballwurf und den 3000-Meter-Lauf ausgewählt. Leider ist das Schwimmen in letzter Minute buchstäblich ins Wasser gefallen, so dass stattdessen auf einen 50-Meter Laufsprint ausgewichen wurde. Alle vier Disziplinen wurden bei idealen Wetterbedingungen auf dem Sportplatz des TSV Travemünde durchgeführt, einem Ort mit 12-Kampf-Geschichte, unter den kritischen Augen der beiden offiziellen Sportabzeichenabnehmerinnen Renate und Ulla. Damit stand auch fest, wer den Schiedsrichterpart übernehmen würde, und die 12 angetretenen Kämpfer konnten sich voll und ganz auf die Durchführung der Leibesübungen konzentrieren.

Der Spaß begann mit dem 50 Meter-Sprint in Zweierpaarungen und in zwei Durchläufen; die bessere Zeit wurde gewertet und führte in der Gesamtwertung zur Vergabe von wie bisher üblichen 20 Punkten für den Schnellsten, zu 18 Punkten für den Zweitschnellsten usw. Das Schema behielten wir bei.

Gleich im zweiten Lauf zeigte El Padrino, der frühere Leichtathlet, wo der Frosch die Locken hat. Profimäßig mit Spikes ausgerüstet, stürmte er in nur 6,17 Sekunden ins Ziel, gestartet von Ulla und handgestoppt von Renate, und brannte damit die schnellste Zeit des Tages in die Bahn. Auch sein zweiter Versuch hatte eine Sechs vor dem Komma (6,94) und nur Mikka, ebenfalls beim zweiten Lauf mit Nagelschuhen unterwegs („Das bringt bestimmt zwei Zehntel“. Damit sollte er dann auch Recht behalten), sowie Laxer konnten noch mit 6,79 beziehungsweise 6,86 Sekunden unter der Siebener-Marke bleiben. Acht Kämpfer verteilten ihre Zeiten im Siebener-Bereich, und nur einer blieb 18 Zehntel oben drüber. Ein astreiner Einstand: wirft man einen Blick in den Leistungskatalog zum DSA (http://www.deutsches-sportabzeichen.de/fileadmin/user_upload/sportabzeichen.de/downloads/Materialien/1_15/Leistungstabelle-Erwachsene-gesamt_2016.pdf) und zieht die Anforderungen für die Altersklasse 40-44 heran (denn an dieser Kategorie hat sich das Orga-Team bei der Auswahl der Disziplinen orientiert), so hätten bzw. haben auch alle zwölf Läufer die Leistung für Gold erfüllt.

Nach diesem pulshochtreibenden Einstand wurde unverhohlen aufgeatmet, dass als Nächstes die beiden Wurfdiziplinen auf dem Programm standen. Versprach man sich dadurch doch noch ein wenig Ruhe, bevor es an die Langdistanz ging. Zunächst also das Medizinballwerfen, als Vertreter der Kategorie „Kraft“. Ein zwei Kilo schwerer, schwierig zu greifender Ball musste von einer Abwurflinie möglichst weit nach vorne geworfen werfen, mit den beiden einzigen Vorgaben „beide Hände am Ball“ und „nicht rücklings werfen“. Nachdem jeder Kämpfer sich mit drei Versuchen vorsichtig an seine Schokoladenwurfart herantasten durfte, folgten dann drei scharfe Versuche, um sich den einen, besten Wurf davon eintragen zu lassen. Ging man vorher noch relativ gelassen mit dem Thema um („Alter, ich nehm‘ einfach die Pille und hau se weg!“), so erkannte man doch ziemlich schnell, dass nicht nur kräftige Arme und breite Schultern, sondern auch Technik eine entscheidende Rolle spielen kann. Das sollte zwar später beim Schleuderball noch viel lustiger werden, aber auch beim Medizinballwerfen gab es einiges an Möglichkeiten, einen Wurf zu versemmeln. Klappt’s am besten mit Anlauf oder ohne, mit Drehung oder mehr so vonne Unnerarme her… eine Beantwortung dieser Fragen blieben dem ein oder anderen bis nach dem letzten Wurf verwehrt, und nur so ist es zu erklären, das Bär und Rocket als gesetzte Wurfexperten nicht auf den vorderen Rängen zu finden waren. Auch wegen schon nachmittags geleisteten Voraktivitäten, natürlich.

 

Medizinmann Laxer lässt einen fliegen.

Hier war nun Limbo klar vorn. Der Gewinner des Glitschwettbewerbs musste nur einmal kurz seitlich Schwung holen, um die Bälle in Richtung siebzehn, achtzehn Meter zu katapultieren. Nix verschenkt, effizient, weit. Die 18,50 Meter seines Dritten waren dann auch klar auf Platz eins. El Padrino, der bis zum zweiten Versuch mit 17,65 Meter hinter Limbo an zweiter Stelle lag, zeigte Nerven und versemmelte seinen dritten Versuch, was wiederum Mikka durch saubere 17,70 Meter im Letzten ausnutzen konnte und sich an El Padrino knapp vorbei schob. Platz vier ging an Gunman, der, seinem Namensvetter aus dem isländischen Fußballteam gleich, die Kugel per langem Einwurf nach vorne drückte und dadurch sowohl die Kräftigen wie auch die Techniker gleichermaßen beeindruckte.

Letztlich lagen dann alle Bestweiten deutlich über dem Benchmark von 10,75 Meter. An dieser Stelle einen Gruß an Elkimo, der - zwar läuferisch stark und sich auf den 3000er vorfreuend, aber ballistisch doch eher noch am Anfang seiner Karriere -  seinen Ekel vor dem runden Plastik überwand und über 12 Meter warf. Reichte für Platz 11!

 

ElPadrino zeigt's allen!

Dann Schleuderball: 1kg-Ball hängt an Schlinge, Schlinge hängt an Sportler, Sportler schleudert das Gebilde hammerwurfmäßig oder nur kurz angeschwungen möglichst weit in einen Sektor, der im Idealfall klar abgesteckt sein sollte. Wenn nicht, könnte es Diskussionen mit den Schiedsrichtern geben, zum Beispiel mit offiziellen Sportabzeichenabnehmerinnen, die dann sicherlich die Karte der langjährigen Erfahrung und des geschulten Auges spielen würden.

Man kann heute nur erahnen, wie das damals an diesem besagten Tag vor über 100 Jahren ablief, wie stramme, mittelgescheitelten Kerle die Auswahl an Disziplinen beschlossen, mit der gebotenen Ernsthaftigkeit und wahrscheinlich preußischer Disziplin. Aber einer der Herren war anders. Ein Witzbold. Kann nur so gewesen sein, das ist die einzige logische Erklärung, dass  eine so spaßige Disziplin wie Schleuderball ins Programm aufgenommen wurde. „Musso, is‘ Koordination, isso!““ wird er gerufen haben. Durch diese Ansage hat er dann seine Kumpels klar überzeugen können und dafür gesorgt, den motivierten Leistungserbringer zu ballerina-esken Bewegungen zu bringen, um dann, elfengleich, den Ball trotzdem in alle möglichen Richtungen fliegen zu lassen. Tja, Koordination… früher vielleicht noch eine okaye Kategorie und nicht weiter auffällig, jedoch heutzutage ein heikles Thema in einem Zeitalter, in dem viele Grundschulkinder umkippen wenn sie auf einem Bein stehen und der Purzelbaum rückwärts aus dem Schulprogramm verbannt wurde. Wahrscheinlich zu hohes Unfallrisiko.

Gottseidank ist von uns keiner umgefallen, aber den einen oder anderen Querschläger ins benachbarte Fussballspiel hatten wir dann doch zu verzeichnen. Zeigten die offiziellen Sportabzeichenabnehmerinnen anfangs noch großen mütterlichen Aufsichtswillen, ließ das im Laufe des Events irgendwie merklich nach. Irgendwann war dann auch die Probe, vor die sie sich gestellt sahen, zu hart und es drohte ein vorzeitiges Ende durch Schiedsrichterverlust. Ein Geduldsfadenabriss sozusagen, um in der Tradition der Location zu sprechen. Konnte aber noch vor Ort behandelt werden, so dass wir in Begleitung weitermachen durften. Zu den Leistungen: bis auf Limbo, der durch drei Ungültige leider eine bessere Gesamtplatzierung verspielte, ist durch die Sicherheit der drei Versuche bei allen eine eintragfähige Weite herausgekommen, trotz merk- oder besser denkwürdigen Pirouetten und Schrauben beim Schwungholen. Interessanterweise konnten die Kleineren unter den Großen hier am meisten punkten, und Tea (der im ersten mit 40,50 Meter richtig einen raushaute), Laxer und Steini mit seinem an eine Acht erinnernden Drehschwung überraschten das Feld mit den ersten drei Plätzen. Wieder der Vergleich mit den Pflichtleistungen der Altersgruppe 40-44: hier war es jetzt deutlich knapper als bei den Disziplinen vorher. Die goldenen 34,50 Meter überwarfen sechs, Silber mit 31,50 Meter dann nochmal zwei. Einer scheiterte, sicherlich aus Versehen, an der Bronze-Marke von 28,50 Meter.

 

An der Schleuderball-Abschussrampe: Rocket

Im abschließenden 3000-Meter-Lauf musste dann nochmal die Kondition ran. Wie zu erwarten, schossen die Lauferprobten um Elkimo, Rocket und Mikka nach vorne  und ließen die Führungsposition auch bis zum Schluss nicht mehr los. Als Coup ist sicherlich zu verzeichnen, dass Rocket auf den letzten Metern dem Laufstrategen Elkimo die Spitzenposition abnahm und somit mit 13,20 Minuten Mo-Farah-mäßig mit 10 Sekunden Vorsprung als erster durch das nicht gespannte Zielband lief. Danach rannten/joggten die anderen nach 7,5 Runden ins Ziel, japsend, aber endorphingeladen und somit glücklich, und freuten sich, dass die Ausrichter nicht den 10km-Lauf gewählt hatten. Oder das 800 Meter Schwimmen. Zum letzten Mal nochmal ein Vergleich mit der 40-44-Spalte: Sechs Leute unterboten 15.50 (Gold), vier die 18,30 (Silber). Steini hat noch gerade die bronzene Kurve gekriegt, aber der lief ohnehin sein eigenes Rennen. Limbo hatte Knie und trotz gutem Start und ersten Runden musste er leider abbrechen.

Wer hat nun gewonnen? Nach Gesamtauswertung im direkten Punktevergleich mit den anderen angetretenen 12-Kämpfern und ohne Berücksichtigung des Alters (hey, das haben die beiden Dorfältesten so beschlossen, seht’s als eine Geste der Milde und Gutmütigkeit!) geht ganz klar der Pott an: El Padrino! In allen vier Displizinen immer im vorderen Drittel, hat’s dann für den Gewinner des Bundesjugendspiel-Events vor einigen Jahren hinten bei der Ente für einen ein-punktigen Vorsprung vor Mikka als Zweitem gereicht. Laxer holte sich den dritten Platz, Rocket den Vierten. Dann Tea, Steini, Gunman, ElUffo, Limbo, Bär, Elkimo, Rocco.

Neben dem internen Wettbewerb gibt’s noch einen schönen Nebeneffekt: durch den Beistand der beiden offiziellen Sportabzeichenabnehmerinnen können unsere Leistungen für den Erwerb des DSA eingereicht werden. Jetzt noch einmal irgendwann ins Becken gehüpft, zum „Nachweis der Schwimmfertigkeit“, dann dem individuellen Alter entsprechend die Leistungen bewertet, und Schwupp! kann man, stolz wie Bolle und wie früher in der Schule, die Urkunde in Empfang nehmen. Voll verdient!

 

Die Gesamtauswertung

 

Breadcrumbs