„Hoffentlich bleibt die Lanze hart und knickt vorne nicht ab!“ „Ich hab `ne Ersatznudel dabei!“ „Arschtreffer zählen doppelt!“

Es musste ja so kommen. Selbst der züchtigste und unschuldigste Klosterschüler konnte das eindeutig doppeldeutige Potential eines Events erkennen, das auch noch „Fischer-Stechen“ heißt und bei dem Vokabular verwendet werden kann, wie es sonst nur in Swingerclubs oder in mehrstündigen Psychiatrie-Sitzungen zum Thema Priapismus zu finden ist. Eine Steilvorlage, sozusagen, für feinsten Pennälerhumor. Aber tatsächlich - und das unterstellt der Autor dieser Zeilen jetzt mal, selbst ein züchtiger und unschuldiger Klosterschüler - meinten die neun sehr seriösen 12-Kämpfer das gar nicht so, die am Samstag bei schönstem Wetter angetreten sind, um den König der Fischerstecher zu ermitteln (nun ja, welche Intention hinter dem Spruch stand: „Mannomann, wie alt sind wir denn, dass die Lanze stabilisiert werden muss?“, ist nicht überliefert).

Fischer-was? Fischerstechen? Muss es nicht Fische-Stechen heißen, ohne „r“? Oder sogar noch eher Fische-Erstechen, also sowas wie Heringe massakrieren auf Zeit, auf Menge, oder auf Fischgröße? Hätte auch was, und wir hätten auf jeden Fall ein paar Leute von Sea Shepherd kennengelernt, dadurch vielleicht sogar neue 12-Kämpfer akquiriert… Aber nein, nichts dergleichen; Fischerstechen stimmt schon. Okay, die Erklärung: Das Fischerstechen ist ein über 500 Jahre alter Fischerbrauch. Einer Sage zufolge sollen Fischer nach der Beobachtung eines Ritterturniers - mangels eigener Pferde - eine Art Ritterturnier auf ihren Booten veranstaltet haben, woraus sich im Laufe der Zeit eine Tradition entwickelte. Ziel ist es in der Regel, die Mitglieder der anderen Mannschaften mit Hilfe eines Speers von ihren Booten ins Wasser zu stoßen. In den Städten, in denen Fischerstechen besonders zelebriert wird (Ulm, Bamberg, Frankfurt etc.) findet üblicherweise als Auftakt ein farbenprächtiger Umzug mit vielen kostümierten Teilnehmern statt, deren historische Bekleidung die Stadtgeschichte jedes Mal aufs Neue zum Leben erweckt. Es werden Trommeln gespielt, historische Tänze der Fischerzunft aufgeführt, und wahrscheinlich auch der ein oder andere Aquavit eingenommen - eisgekühlt, hoffentlich. Anscheinend also ein Riesenspaß. Hier kann man’s mal sehen: https://www.youtube.com/watch?v=X_AnfumIJTs

 

Die beiden Ausrichter The Mole und Steini standen nun vor einem Haufen Problemen. Wie kommen wir am besten nach Ulm, Bamberg, Frankfurt? Dazu: woher kriegen wir historische Kostüme? Die Trommeln? Kriegen wir einen Umzug genehmigt? Und: wer stellt den Aquavit kalt? Nach solcherlei anfänglichen Unsicherheiten war dann aber das Konzept doch relativ schnell klar: wir tragen das Event in Lübeck aus, an der Wakenitz, mit SUP-Boards und irgendwas Lanzen- oder Speerartigem und, wenn man Lust hat, in Kostümen. Der Aquavit fällt ins Wasser und dafür gibt’s dann Bier. So.  Jetzt nur noch flugs die Details ausgearbeitet, flink das Regelwerk erstellt und dann flott raus damit an die Truppe. Easy.

Nun weiß man ja Folgendes: Schach wird seit Hunderten oder sogar Tausenden von Jahren gespielt, und die Regeln in der heutigen Form sind wahrscheinlich schon auf den Rückseiten vom Moses’ Zehn-Gebote-Tafeln eingemeißelt. Fußball, von den Engländern als „ihr Sport“ reviermarkiert – obwohl doch erst Kloppi den Jungs auf der Insel beigebracht hat, wie man kickt – wird auch schon seit wer weiß wie vielen Jahren nach gleichen Regeln praktiziert; die gelten im Prinzip auch immer noch. Wenn man aber als Organisator einer selbstkreierten Variante einer noch nicht einmal richtigen Sportart ein lupenreines, in diesem Fall sogar wasserdichtes Regelwerk verfassen muss, dass auch allen möglichen gültigen Sicherheitsstandards genügen muss… dann wird’s schwierig. Dann vergehen auch schon mal einige Stunden auf dem Wasser, in denen man am Waffenarsenal feilt – von der einfachen Poolnudel (netter Streicheleffekt, mehr nicht)  bis hin zu komplexen Angriffs- und Abwehrssystemen. Stunden, in denen man auf sich zufährt, sich aber dann beim Schlagen verfehlt und dann wieder ewig braucht, bis man sich wieder ordentlich gegenübersteht… falls einen der Wind nicht eh‘ sonstwohin abgetrieben hat. Stunden, in denen man mit Schlagvarianten herumprobiert, was wem wie wo wehtut und somit zwingend rausgeregelt werden sollte. Als dann aber im Grunde nur noch kontaktloses Vom-Board-Pusten und Hypnose nach transzendentalphilosophische Ansätzen übrig blieb, war die Verzweiflung nahe und es musste dringend eine Gedankenordnensunterbrechung her. Und dann passierte etwas Wunderbares:  das Alte lernt von den Jungen! Während sich nämlich The Mole und Steini grazil und elfengleich um das Feinzeichnen besagter Kampfmodalitäten bemühten, wurde das Spektakel von zwei… nennen wir sie mal „interessierten Zuschauern“ beobachtet, die sich in der Zeit doch das ein oder andere Feierabend-Bierchen gegönnt haben. Jung, tatendurstig, durstig, blau; zumindest `nen ordentlichen Glimmer in den Augen. Eine explosive Mischung. Diese beiden fragten nun, ob sie’s auch mal probieren können, und mit dem Satz „Wir sind auch vorsichtig und machen nichts kaputt“ haben die Beiden sich dann auf dem Wasser dermaßen mit unseren selbstgebastelten Lanzen beackert und dabei gelacht und sich nichts geschenkt, dass es eine Freude war und unseren beiden Organisierern ein großes Hallo entfuhr. „Verdammt!“, hieß es dann unisolo, „Scheiß` auf die Regeln, so machen wir das auch, genau so! No Rulez! Einmal Fischerstechen bitte, mit ohne alles!“.

Im Sinne der Fairness und der Sicherheit ging‘s dann doch nicht so ganz ohne Reglement, und Unschönheiten wie In-die-Waffe-greifen, den Gegner vom Board schubsen bzw. tackleln, absichtliche Kopftreffer und stoisches Ans-Bord-Klammern zwecks Zeitspiel wurden rausgeregelt. Übrig blieb Folgendes: Wir kämpften im Modus „Jeder gegen Jeden“ auf einem Board, mit zwei Lanzen, und zwar in Form von Zweier-Duellen. Ein Stecher hat das Duell verloren, wenn er als Erster komplett oder auch nur halb ins Wasser gefallen ist. Kippeln ist explizit erlaubt. Jeder Kämpfer bekam, wenn es ans Duell ging, eine fünfpoolnudelige, paddelinnenverstärkte und panzeraußengetapete Lanze; damit bestiegen die beiden Recken dann die Kampfbahn, die da heißt: RED SUP Board DRAGON 22' x 34'' x 8'' MSL.

*Jingle*, Einblendung Schriftzug: „Werbung“.
Unser expliziter Dank geht an die Jungs vom Surf-Center Lübeck (www.surf-center.de), die uns alle möglichen Boards haben ausprobieren lassen und wirklich auch mit Rat und Tat zur Seite standen, weil sie uns beim Lanzenbau geholfen haben und nicht zuletzt die zündende Idee hatten, das DRAGON Board als Kampffläche zu nehmen – ein über 6 ½ Meter langes, aufblasbares SUP-Board, durch welches uns zeitraubendes Manövrieren erspart geblieben ist, wenn wir, wie eingangs geplant, einfache Boards als ritterlichen Pferdersatz genommen hätten. Das war schon viel besser so. Vielen Dank, Malte und noch viel Spaß Euch mit den Lanzen!
*Jingle*, Einblendung Schriftzug: „Ende der Werbung“

Jetzt konnte es also losgehen. Und es ging los, mit Rocket und ElUffo und mit einem satten Kinnstoß von unten in ElUffos schon mehrfach leidgeprüftes Architektengesicht. Denn sofort wurden bei den schon länger tätigen 12-Kämpfern üble Erinnerungen wach an das Eishockey-Event vor acht Jahren, als ElUffo krachend mit Tea zusammen rappelte und sich das Jochbein brach. War aber nix; es wurde gegrinst, sowohl damals (s. Artikel Eishockey, April 2012) als auch jetzt und weitergemacht.

Was dann kam, war erstmal großartig: alle Zwölfies hatten Mordsspaß auf dem Wasser, welches temperaturmäßig mehr an ein vollgepullertes Kinderplanschbecken erinnerte als an einen großen weitläufigen Fluss. Wir hatten noch zwei SUPs und Rockets Kanu dabei, mit denen man sich prima zwischen den Duellen die Zeit vertreiben konnte. Zwar sind gerade am Anfang doch nochmal ein, zwei, vielleicht auch drei oder viermal die Regeln angepasst worden, aber das passiert halt bei neuen Events. Is‘ eben nicht Schach oder Fußball. Super war, das nach ganz langer Pause mal wieder W!ESEL mit von der Party, also Partie, war und wie selbstverständlich als Schiri und Zeitnehmer ausgeholfen und sogar Kaltgetränke mitgebracht hat. Richtich super war det!!

Die Duelle waren klasse. Man hätte erwartet, dass der Phänotyp „groß und kräftig“ schlagende Vorteile bietet gegenüber… naja, gegenüber halt nicht so groß und nicht so kräftig, aber das stimmte nicht! Ganz stark waren diesmal The Mole und 3Pi und, die beiden haben prima Fingerspitzengefühl in den Füßen bewiesen und sich einfach auch bei schwierigen Duellen länger auf dem Board halten können. Im Prinzip konnte aber jeder mit dem DRAGON bzw. generell mit den SUPs super umgehen. Reiner Zufall oder kollektiver Talentausbruch? Schwer zu sagen, wahrscheinlich letzteres. Bestimmt sogar, sieht man mal von einem Hopser eines ElUffo-ähnlichen 12-Kämpfers ab, der ohne Fremdeinwirkung direkt nach dem Startschuss in Wasser geplumpst ist; einfach so. Dadurch, dass die Battles relativ schnell entschieden waren, mit zum Teil ninja-warriorigen Abgängen, wurde die Maximalzeit von zwei Minuten pro Duell nie ausgereizt und es gab ausschließlich 3 (Sieg) oder 0 (Niederlage) Punkte und keine Unentschieden, für die es pro Kämpfer jeweils einen Punkt gegeben hätte. Das führte dann jedoch am Ende zu drei punktgleichen Teilnehmern, nämlich 3Pi, ElUffo und Rocket, die dann die Plätze durch SUP-Paddeln auf Zeit unter sich ausmachen mussten; Rocket, der erfahrene Drachenboot-Racer, haute am reinsten und war Schnellster des Trios.

So, wer hat denn jetzt gewonnen? Verdammt, wer war das nur? Im Prinzip ist die Antwort einfach: Den Gesetzen der Serie folgend, hat Damn-Oh es geschafft, das Triple vollzumachen und sich als drohnefliegender Marine auch bei diesem Wasserevent souverän an die Spitze gesetzt. Der Lübecker Gladiator, der König der Fischerstecher! Nur ein Duell verloren, gegen ElUffo, der also als Besieger-Bezwinger besondere Erwähnung erfahren darf (die ganzen Besieger-Bezwinger-Bezwinger lassen wir jetzt aber mal weg). Geil gemacht, Damn-Oh; schön gekämpft, gut gekippelt, fair gespielt – perfekt! Damit geht die Saison in eine superspannende Endphase, denn Tabellenführer Markolo, diesmal nicht dabei, muss bei den letzten drei Saisonevents sehr ordentlich abliefern, um das Ding nach Hause zu schaukeln. Damn-Oh kann’s sonst machen, und natürlich auch noch Rocket, derzeit an #3 und auch Elkimo, derzeit an #4. Bär, Laxer, ElUffo… es sind alle noch im Rennen, aber sowas von!

Nach zweieinhalb Stunden war dann das Event gewuppt, der Sieger gekürt, das Podium fotografiert (1 Damn-Oh, 2 The Mole, 3 Rocket) das Bier aufgemacht und das Material zurückgegeben. Die Jungs, aufgeweicht, leicht angeritzt (Rocket) und sportlich erregt, durften dann aber erleben, wer der eigentliche König der Stecher ist. Eine unerhörte Neuauslegung dieses Titels, nicht sportlich, also nicht wirklich, aber im Grund genial und sooo naheliegend. Nach uns wettkampfgetriebenem Männerhaufen hat sich doch tatsächlich so ein Jungspund klamm und heimlich den DRAGON geschnappt und ist allein mit 4 (vier) Fischerfrauen, also Mädels vom Kaliber Instagram-Hottie, locker und flockig flussabwärts gepaddelt. König der Fischerinnenstecher - auch ein sehr interessanter Titel, findet der Autor dieser Zeilen - wie schon gesagt, selbst ein sehr züchtiger und unschuldiger Klosterschüler!

Die Platzierungen:

  1. Damn-Oh
  2. The Mole
  3. Rocket
  4. 3Pi
  5. ElUffo
  6. G-Man
  7. Elkimo

 

Das Orga-Team beim Lanzenvergleich

 

Wenigstens einer hat das traditionelle Kostüm beherzigt – danke, 3Pi!

 

Rocket und Tammo zähmen den DRAGON

 

Zwar kein Roundhouse-Kick, aber ein gelungener Stich – Rocket lanzt G-Man vom Brett

 

Alle sieben Teilnehmer irgendwie unterwegs

… dieser Moment, wenn ElUffo wie von Geisterhand von der Bildfläche verschwindet…!

 

 

 

Fisherman’s Friends, und der Kingpin in der Mitte

 

Ein SUPer Podium und Damn-Oh freut sich zu Recht!

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